Folgen des demografischen Wandels – Jedes Jahr weniger I-Dötze in Bielefeld

Der schleichende Prozess der abnehmenden Anzahl der Kinder hat schon in den vergangenen Jahrzehnten zu Veränderungen in der Bielefelder Schullandschaft geführt.

 

  • Vor vielen Jahren Grundschule Brönninghausen im Stadtbezirk Heepen geschlossen
  • Schulstandort Bohlenweg der GS Ummeln geschlossen
  • In den letzten zwei Jahrzehnten sind auch bereits Hauptschulen geschlossen worden, zuletzt die Sieker Hauptschule
  • Aktuell wird in Sennestadt der Standort Adolf-Reichwein-Schule aufgegeben; zwei Hauptschulen wurden zur Johannes-Rau-Schule zusammengefügt

Inzwischen gibt es in Bielefeld im Bereich der Grundschulen großen Handlungsbedarf. Wir haben 14 Grundschulen, die nicht die erforderliche Vierzügigkeit erreichen. 11 dieser kleinen Grundschulen liegen in den Stadtbezirken Brackwede, Dornberg und Mitte.

Dadurch ergeben sich sehr unterschiedliche Klassengrößen und eine ungerechte Verteilung der Lehrerstellen. Lehrerstellen, die an vielen Schulen zur Förderung von Kindern aus bildungsfernen Schichten dringend benötigt werden, müssen durch die Schulaufsicht der Bezirksregierung kleinen Schulen zur Deckung des Unterrichts zugewiesen werden. Daher gibt es an kleinen Schulen proportional mehr Lehrerstunden/Kind im Vergleich zu größeren Schulen. Das ist für sich genommen vielleicht nicht schlecht, setzt die größeren Schulen, die ja den gleichen pädagogischen Auftrag haben, jedoch in einen schlechteren Stand.

Grundschulen standen in den letzten Jahren vor gewaltigen Aufgaben. Die zunehmende Differenzierung im Unterricht, die Einführung des Englischunterrichts, der Umgang  mit modernen Lehr- und Lernmedien, die Einführung der OGS, das alles erfordert – soll es den qualitativen Ansprüchen genügen – ein hohes Maß an Fachlichkeit.  Deshalb schreibt das Landesschulgesetz eine Mindestgröße für Grundschulen vor. Die Grundschulen stehen aber noch vor weiteren neuen Aufgaben wie z.B.

  • des Ausbau OGS und der Weiterentwicklung zum gebundenen Ganztag
  • Ausbau des gemeinsamen Unterrichts und Entwicklung zur Inklusion
  • Verbesserung der Kooperation mit Kitas und den weiterführenden Schulen
  • Vernetzung der Schulen mit der Jugendhilfe und anderen außerschulischen Einrichtungen
  • Weitere Individualisierung des Unterrichts
  • Weiterentwicklung der Schulprogramme
  • Flexible Eingangsphase

Es ist klar, für diese Entwicklungen werden Kompetenzen und Ressourcen benötigt. Zur Bewältigung dieser Aufgaben ist ein Kollegium einer bestimmten Größe notwendig und eine komplette Schulleitung (Rektor/in und Konrektor/in), die die vielfältigen Management- und Vermittlungsfunktionen erfüllen kann.

Der AK ‚Schulentwicklungsplanung’ des Schulausschusses hat daher nach Lösungen gesucht, um Kompetenzen zu bündeln und zukunftstaugliche Organisationseinheiten zu schaffen, die diese Aufgaben bewältigen können. Dabei ist der AK von grundsätzlich zwei verschiedenen Möglichkeiten ausgegangen: der Schließung von Schulen und der Bildung von Schulverbünden (eine Schule mit zwei Schulstandorten).

Im Verfahren wurden in vielen Sitzungen verschiedene Aspekte behandelt, die Folgen des demografischen Wandels und die daraus abgeleiteten Prognosen wurden vorgestellt und diskutiert ebenso wie das Schulwahlverhalten der Eltern, die weitere Entwicklung des Ganztags und die Notwendigkeiten der Weiterentwicklung der Schulen im Hinblick auf die oben genannten Ziele. Eine Rektorin einer Verbundschule im Kreis Lippe berichtete von ihren Erfahrungen in einem Schulverbund. Zu einer weiteren Sitzung wurden alle Schulleiter/innen der Schulen aus den drei Stadtbezirken eingeladen und angehört. Aus allen Daten hat die Verwaltung verschiedene Szenarien für die drei am meisten betroffenen Stadtbezirke entwickelt und nach einem Kriterienkatalog bewertet. Der daraus abgeleitete Vorschlag (Schließung je einer Schule in jedem Stadtbezirk und Bildung von Verbundschulen) wurde vor der Sommerpause in einer gemeinsamen Sitzung dem Schulausschuss und den Bezirksvertretungen öffentlich vorgestellt. Danach hat es noch vor der Sommerpause einige Veranstaltungen an Schulen und schriftliche Stellungnahmen der Rektorinnen und z.T. auch von Schulkonferenzen gegeben. Von der Mehrheit der Rektorinnen und auch in etlichen Stellungnahmen von Schulkonferenzen wurde die Bildung von Schulverbünden deutlich abgelehnt.

Die Auswertung aller Stellungnahmen hat die Verwaltung bewogen, von der Bildung von Schulverbünden abzurücken, mit der Konsequenz, dass mehr als drei Schulen geschlossen werden müssen, um Schulen vergleichbarer Größe in der Stadt  zu erreichen. Der neue Vorschlag lautet nun: 6 Schulschließungen (in Dornberg: Hoberge-Uerentrup und Schröttinghausen, in Mitte: Hellingkampschule und Josefschule und in Brackwede: Brocker Schule sowie Frölenbergschule).

Unstrittig ist, dass die betroffenen Schulen keine schlechte Arbeit leisten. Der Hintergrund für die Auswahl nicht die pädagogische Arbeit dieser Schulen, sondern die Zielperspektive insgesamt in den Stadtbezirken Grundschulen von einer Mindestgröße und mit einer langfristigen Perspektive bilden zu können.

Damit kann auch ein Gerechtigkeitsgefälle beseitigt werden. Es können an allen Grundschulen vergleichbare Klassengrößen erreicht werden und die Lehrerstellen gerechter verteilt werden. Wir alle wissen, dass in Deutschland der Schulerfolg der Kinder zu einem großen Teil von der sozialen Herkunft der Kinder abhängig ist. Es ist erklärtes Ziel aller gesellschaftlichen Kräfte, die Bildungschancen dieser Kinder zu verbessern. Das geht nur, wenn die dafür vorgesehenen Ressourcen diesen Kindern auch wirklich zu gute kommen und nicht zum Erhalt kleiner Schulen verwendet werden müssen.

Der Vorschlag in Brackwede die Brocker Schule und die Frölenbergschule zu schließen ist begründet durch die geografische Verteilung der Schulen im Stadtbezirk. Die Vogelruthschule und die Frölenbergschule liegen im Norden von Brackwede relativ nah beieinander, die Südschule im Süden. Berücksichtigt man auch nach der Schließung von zwei Schulen noch das Prinzip der Wohnortnähe, so wird deutlich, dass bei einer Schließung der Frölenbergschule die Kinder aus Brackwede mit kürzeren Wegen die verbleibenden Schulen erreichen können als bei einer Schließung z.B. der Südschule.

Dass der Protest aufgrund der geplanten Schließungen von Seiten der betroffenen Eltern, Schüler und Lehrer groß ist, ist verständlich und nachvollziehbar. Trotzdem wird die Schließung von Schulen als einziges Mittel zur Sicherstellung einer qualitativ weiterhin hochwertigen Grundschullandschaft angesehen.

Mit dem Beschluss des Schulausschusses vom 31. August wird jetzt ein Verfahren in Gang gesetzt und die Beteiligung der Schulkonferenzen sowie der Bezirksvertretungen eingeleitet. Am Ende, nach Auswertung aller Stellungnahmen muss ein Gesamtkonzept beschlossen werden, das keinen Stadtbezirk ausklammert. Dieses Gesamtkonzept muss auch unseren inhaltlichen Anforderungen genügen. Es muss klar sein, dass auch nach den Schulschließungen alle Kinder, deren Eltern dies wünschen, einen Ganztagsplatz in der OGS bekommen, dass nicht aus Raummangel Klassengrößen von 30 Kindern notwendig werden, dass Raum für gemeinsamen Unterricht und Inklusion bleibt und dass bei der Beurteilung der Schulwege nicht nur die Länge des Weges, sondern auch Sicherheitsaspekte eine große Rolle spielen.

Wir GRÜNEN laden alle Interessierten Menschen zur Diskussion zu diesem Thema im Rahmen eines Forums am Mittwoch, den 22.9.2010 um 19:00 Uhr im Kuturpunkt-Versammlungsraum (Kavalleriestr. 26) ein.

Inge Schulze, Fraktionsvorsitzende und Mitglied im AK Schulentwicklungsplanung und im Schulausschuss