Für den Erhalt des Amtes für Integration

keys in the door lockKlaus Rees hielt am 18.09.2014 im Rat der Stadt Bielefeld zum TOP „Bericht über die Umsetzung des Integrationskonzepts der Stadt Bielefeld“ folgende Rede:

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Stadt Bielefeld ist in Sachen „Integration“ gut unterwegs. Wir sind eine weltoffene Stadt, in der Menschen aus über 150 Nationen friedlich miteinander leben und in der jede bzw. jeder Dritte einen Migrationshintergrund hat. Dennoch ist Integration ein langwieriger Prozess, der auf vielen verschiedenen Ebenen stattfindet und Anforderungen sowohl an die Mehrheitsgesellschaft als auch an die Zugewanderten stellt.

Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen und den Weg zu einer gelingenden Integration zu beschreiben,  verabschiedete der Rat der Stadt Bielefeld im September 2010 einstimmig ein  Integrationskonzept, das unter breiter Beteiligung insbesondere von Migrantenverbänden und dem Integrationsrat erarbeitet worden war. Damit nahm Bielefeld eine Vorreiterrolle in der Reihe vergleichbarer deutscher Großstädte ein.

„Integration gehört zu den strategischen Zielen Bielefelds“ heißt es unter Punkt 1 unseres Beschlusses.WB vom 19.09.2014

In Anlage 1 zum Beschluss werden zentrale Umsetzungsschritte des Integrationskonzepts genannt:

  • die Stadt und ihre Tochtergesellschaften verpflichten sich zu einer umfassenden interkulturellen Orientierung und Öffnung in allen Bereichen insbes. in der Organisations- und Personalentwicklung sowie der Bürgerorientierung;
  • die Stadt und ihre Tochtergesellschaften wirken auf ihre Kooperationspartner ein, um diese ebenfalls beim Prozess der interkulturellen Öffnung und Orientierung zu unterstützen;
  • Stadt und städtische Töchter bekennen sich zu einer umfassenden Gleichstellungspolitik als Teil einer gelingenden Integrationsstrategie;
  • Stadt und ihre Tochtergesellschaften verpflichten sich zu einer umfassenden Weiterqualifizierung ihrer MitarbeiterInnen in Hinblick auf „professionellen, selbstverständlichen und kundenfreundlichen Umgang mit der kulturellen Vielfalt“;
  • Die Stadt und ihre Tochtergesellschaften ermöglichen und fördern die gesellschaftliche Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund;
  • Die Stadt Bielefeld sorgt für eine kontinuierliche Präsenz der Inhalte und Zielsetzungen des Integrationskonzepts in der Öffentlichkeit.

Und explizit heißt es im Beschluss weiter: „Die Stadt Bielefeld – Amt für Integration und interkulturelle Angelegenheiten- überprüft das Leitbild regelmäßig und initiiert gegebenenfalls dessen Weiterentwicklung.“

Unter Punkt 6 wird weiter festgelegt: „Für die Umsetzung des Integrationskonzeptes liegt die kommunalpolitische Zuständigkeit beim Haupt- und Beteiligungsausschuss.“

Soviel zu unserer Beschlusslage vor ziemlich genau vier Jahren. Getan hat sich in der Zwischenzeit, abgesehen von Sonntagsreden, recht wenig:

  • Im Haupt- und Beteiligungsausschuss wurde bis zum heutigen Tage kein einziger Bericht über die Umsetzung des Integrationskonzepts erstattet. Das zum Thema Beschluss-Controlling, Herr Oberbürgermeister als zuständiger Dezernent.
  • Mir ist nicht bekannt, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung oder der Tochtergesellschaften in Hinblick auf kultursensiblen Umgang mit der kulturellen Vielfalt weiterqualifiziert worden sind. Im Bereich der Stadtverwaltung mit mehr als 4000 Beschäftigten, nahmen nach Auskunft des Personalamtes in den letzten drei Jahren ca. 50-60 Personen an Seminaren zur „Interkulturellen Kompetenz“ teil.
  • Was ich weiß, ist, dass die Zahl der Beschäftigten mit Migrationshintergrund nur sehr langsam steigt und bei Weitem nicht dem Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Stadt – das sind mehr als 30% – entspricht. Auch der Anteil bei den Auszubildenden ist immer noch sehr gering.
  • Weitere quantitative oder qualitative Kennzahlen oder Daten zum Stand der interkulturellen Öffnung der Regeldienste oder auch zu Nutzung unserer städtischen Einrichtungen z.B. des Stadttheaters, der Stadtbibliothek, der Kunsthalle, der Museen sind nicht definiert worden und liegen deshalb natürlich nicht vor. Gefühlt kann ich nur sagen, es tut sich noch viel zu wenig in Hinblick auf umfassende Teilhabemöglichkeiten aller Menschen in unserer Stadt.

Warum sage ich das alles?  Ich sage das, weil ich möchte, dass wir endlich in eine öffentliche politische Debatte darüber eintreten, was wir erreicht haben und was noch vor uns liegt auf dem Weg zu einer umfassenden Integration in unserer Stadt. Im zweiten Schritt können wir dann entscheiden, ob wir das Amt für Integration, das ja unser Instrument auf dem Weg zur Umsetzung des Integrationskonzepts ist, noch weiter brauchen oder ob wir schon so weit sind, dass wir die dort gebündelten Zuständigkeiten in die Regeldienste zurückgliedern können.

Das ist die richtige Reihenfolge des Vorgehens und nicht die von Ihnen gewählte, Herr Oberbürgermeister. Einfach in der Sommerpause zu erklären, wir haben unser Ziel erreicht und jetzt löse ich ohne weitere inhaltliche Begründung per ordre de Mufti oder auf Verwaltungsdeutsch „in Wahrnehmung meiner Organisationshoheit“ das Amt für Integration auf, das ist mit Verlaub gesagt, vordemokratisch und verstößt gegen Geist und Wortlaut des auch mit Ihrer Stimme beschlossenen Integrationskonzepts. Deshalb unser Antrag: erst die Berichterstattung und die Diskussion, dann die Bewertung und die Umsetzung eventuell möglicher oder notwendiger Maßnahmen.

Vielleicht abschließend noch eine  Anmerkung über  „Sondereinrichtungen“, die aufgelöst gehörten. Alle diejenigen von Ihnen, die mich schon länger kennen, wissen, dass ich immer entschieden gegen unnötige Verwaltungseinrichtungen argumentiert habe und mich vehement für die Auflösung von Doppelstrukturen einsetze.

Das Amt für Integration ist meiner Ansicht definitiv keine solche Doppelstruktur oder  überflüssige Einheit, denn sie ist die Dokumentation dessen, dass wir Integration ernst nehmen, sie als Querschnittsaufgabe begreifen, sie im Sinne einer Willkommenskultur leben wollen und sie dort ansiedeln, wo sie hingehört, nämlich beim Oberbürgermeister. Und daran sollten wir im gemeinsamen Konsens auch weiterhin festhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ein kleiner Blick über den Tellerrand bringt manchmal interessante Erkenntnisse, so haben zum Beispiel die Städte Wiesbaden und Frankfurt Ämter für Zuwanderung und Integration bzw. für multikulturelle Angelegenheiten, die Stadt Heidelberg hat ein Amt für Chancengleichheit, die Städte Mainz und Karlsruhe haben Büros für Integration und Migration, die Stadt Münster hat eine Koordinationsstelle für Migration und interkulturelle Angelegenheiten und die Stadt Stuttgart, Vorreiterstadt bei kommunaler Integrationsarbeit, hat eine Stabsabteilung Integration.

Das ist das Ergebnis einer sehr kurzen Recherche, die ich gestern abend angestellt habe.  Sie macht deutlich, dass Integrationsagenturen wie unser bundesweit als vorbildlich erachtetes Amt für Integration keinen Luxus oder gar „Sondereinrichtungen“ darstellen. Sie sind vielmehr, leider, mit großer Wahrscheinlichkeit noch eine Zeit lang notwendig, um die noch vor uns liegende Wegstrecke hin zu einer umfassenden und gelingenden Integration erfolgreich bewältigen zu können.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Beschlussvorschlag!

Es gilt das gesprochene Wort!