Statement zu den Rassismus-Vorfällen bei der ZAB

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Liest man die Informationsvorlage der Verwaltung, kann man sehr viel zur Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) erfahren: was tut sie, mit wievielen Mitarbeitenden, in welcher Struktur, wie wird ihr Personal geschult und fortgebildet, wie geht man mit Beschwerden im Allgemeinen um. Man könnte dabei leicht vergessen, was der Anlass für die Vorlage ist:

Ein Wirtschaftsjurist mit dunkler Hautfarbe, der aufgrund einer Bewerbung ausgewählt und für eine Tätigkeit bei der ZAB eingestellt worden ist, wurde während seiner Probezeit offensichtlich diskriminiert und durch die unmittelbare Vorgesetzte mit dem Satz „Ich mache doch hier keine Neger-Arbeit“ konfrontiert, als er sie um etwas bat.

Anstatt mit diesen Fakten zu beginnen, erfahren wir zunächst, dass der betreffende ehemalige Mitarbeiter wegen festgestellter Leistungsmängel während seiner Probezeit gekündigt wurde und eine Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde.

Mit dieser Art der Argumentation, mit der die Vorlage beginnt, wird doch gleich deutlich, worauf man hinaus will:

Ein ehemaliger städtischer  Mitarbeiter tritt als „Spielverderber“ auf,  indem er Dinge berichtet, die ihm während seiner fast 6 monatigen Tätigkeit in der ZAB wiederfahren sind. Bei einer städtischen Dienststelle, die sich an alles hält, was man sich nur vorstellen kann und was, wie eingangs dargestellt, in der Vorlage ausführlich dargestellt wird.

Fast könnte man den Eindruck bekommen, dass da jemand über Dinge redet, die nicht sein können, weil sie nicht sein dürfen. Denn die ZAB macht, nach Darstellung der Verwaltung, alles richtig. Sie mag allenfalls durch die Fülle der zusätzlichen Aufgaben, die Vielzahl der zusätzlichen „Kundinnen“ und die zusätzlichen Mitarbeiter*innen zeitweise etwas stärker belastet gewesen sein.

Ja, das wird wohl so gewesen sein. Ich habe die ZAB in dieser Zeit besucht, und habe mich über diese Zusatzbelastung durch Amtsleiter und leitende Mitarbeiter*innen informieren lassen. Ich war aber auch häufig außerhalb der ZAB unterwegs und habe mitbekommen, dass die Geflüchteten zum Teil stundenlang ohne Wasser und Nahrung vor der Einrichtung stehen mussten. Ich habe auch mitbekommen, wie schwer es der ZAB-Leitung fiel, die zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich sehr bald um die Menschen kümmerte, zu akzeptieren. Doch es klappte schließlich, auch dank einer besseren Kooperation der ZAB-Verantwortlichen.

Und nein, die hier zur Diskussion stehenden Vorfälle sind leider keine Einzelfälle. Es gab auch in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe von Initiativen und Geflüchteten-Helfern über Zugangsverbote, schlechte Behandlung von Geflüchteten und deren Unterstützer*innen und es gab die Plakate, über die die Verwaltungsvorlage ganz am Ende berichtet. Plakate, von denen die Verwaltung sagt, dass „deren Inhalte diskriminierend und skandalös waren.“

Meine Damen und Herren,

wenn man all das benennt und all das als Hintergrund hat, dann kann man vielleicht nicht daraus ableiten, dass –Zitat aus der Vorlage- „die Behörde insgesamt rassistisch strukturiert sei“ -Zitat Ende. Man kann aber sehr wohl vermuten, dass es in der ZAB aus vielerlei Gründen  einen Nährboden gibt, auf dem rassistisch motivierte Diskriminierungen wachsen und gedeihen, ohne als solche noch wahrgenommen zu werden.

Das ist umso bedenklicher bei einer städtischen Dienststelle, die ein Ausbildungsabschnitt für Auszubildende des gehobenen Dienstes ist!

Wer tagtäglich mit Menschen zu tun hat, die hierher geflüchtet sind und von denen aufgrund der Gesetzeslage und der Anerkennungspraxis bei einigen Gruppen die allermeisten das Land wieder verlassen müssen und dabei, wie viele ZAB-Mitarbeiter*innen auch noch für die Rückführungen zuständig ist, dem kann schon mal etwas Abfälliges über diese Menschen „herausrutschen“. Der kann auch schon mal vergessen, dass einige Plakate oder darauf befindliche Sprüche rassistisch oder diskriminierend sein können. Der kann es auch schon mal für normal halten, dass ein Mitarbeiter mit dunkler Hautfarbe seinen Job ebenso professionell wie andere mit hellerer Hautfarbe machen können und nicht von dunkelhäutigen Geflüchteten ferngehalten werden muss.

Es ist dieses Verständnis, dass es für alles, was als diskriminierend „empfunden“ werden könnte, eine Erklärung bzw. Entschuldigung gibt. Denn schließlich können doch Beschäftigte, die Kolleg*innen mit Migrationshintergrund haben, die ein Seminar für interkulturelle Kommunikation absolviert haben und sich auch noch dem städtischen Führungsleitbild verpflichtet sehen, im Alltag nicht rassistisch oder diskriminierend sein.

Doch, meine Damen und Herren, sie können! Und wir als Politiker*innen, die Öffentlichkeit und die Verwaltung auf allen Ebenen müssen uns damit auseinandersetzen, dass das in vielerlei Situationen -leider auch in der Stadtverwaltung Bielefeld- passiert.

Wenn ich das sage, betreibe ich beileibe kein ‘Verwaltungs-Bashing’, sondern ich spreche das an, was leider noch viel zu häufig alltäglich und normal zu sein scheint. Und was im Übrigen durch die alljährlich stattfindenden „Wochen gegen Rassismus“ thematisiert wird. Im Vorwort zu den diesjährigen Aktionswochen schrieben Sie, Herr Oberbürgermeister gemeinsam mit Uni Rektor Sagerer folgende Sätze: „Diskriminierung und Rassismus haben viele Formen und Facetten wie Benachteiligung, verbale Beschimpfungen, respektloses Verhalten, abwertendes Betrachten oder gar körperliche Angriffe. Jedoch wird immer das Gefühl vermittelt, nicht als gleichwertig anerkannt zu werden oder nicht dazu zu gehören.“ In diesem Jahr ging es übrigens um institutionelle und strukturelle Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung!

Es ist das Wissen um die Diskriminierung verschiedenster Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder Hautfarbe, ihrer sexuellen Neigungen, ihrer Religionszugehörigkeit oder anderer Kennzeichen, das uns dazu bewogen hat, z.B. eine Gleichstellungsstelle und ein Anti-Diskriminierungsbüro einzurichten und das uns bewogen hat, mehr für die Gleichstellung von LSBTI zu tun.

Das Problem ist jedoch, wie so oft, dass diese hehren Ansprüche, denen wir uns verpflichtet fühlen, im Alltag allzu häufig vergessen oder hintan gestellt werden. Zum Beispiel in Situationen, wie sie die Infovorlage bei der ZAB beschreibt.

Und damit bin ich bei meiner Frage, die sich aus alledem ergibt:

Wie und durch welche Veränderungen kann erreicht werden, dass es deutlich wird, dass es in der Stadtverwaltung Null Toleranz für Rassismus und jegliche Form von Diskriminierung gibt? Dass Diskriminierungen und damit auch Alltagsrassismus wirkungsvoller bekämpft werden, als das bisher der Fall ist? Denn dass es solche gibt, steht sogar schwarz auf weiß in der Vorlage der Verwaltung.

Der OB schlägt eine Evaluierung der Arbeit der ZAB aus Kundensicht und die Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen aus dem Kreis der Kunden vor. Jetzt mal ernsthaft: ist das das probate Mittel, Vorgänge, wie die geschilderten, zu verhindern? Ich meine Nein.

Was wir vielmehr dringend brauchen sind

  • ein verbindliches und regelmäßiges Fort- und Weiterbildungsprogramm für alle Mitarbeiter*innen, das effektiv hilft, Diskriminierungen jeder Art zu vermeiden;
  • eine Stärkung der Funktion und der Kompetenzen der städtischen  Antidiskriminierungsstelle
  • die Verpflichtung der Vorgesetzten, ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen;
  • regelmäßige Thematisierung der Bestimmungen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes auf allen Ebenen der Verwaltung;
  • regelmäßige Berichterstattung über die Umsetzung dieser Maßnahmen im Haupt-, Wirtschafts- und Beteiligungsausschuss sowie im Integrationsrat
  • Eine Zusammenarbeit mit fach- und sachkundigen Wissenschaftler*innen an Universität und Fachhochschulen, um die Maßnahmen zu evaluieren und weiterzuentwickeln

Klaus Rees
… bezugnehmend auf die Anfrage von GRÜNEN und Piraten/Bürgernähe am 30.06.2018 im Haupt-, Wirtschaftsförderungs- und Beteiligungsauschuss der Stadt Bielefeld. Die Antwort der Verwaltung darauf.