GRÜNE zu Bielefelder Wald: Handeln aber mit Bedacht

Nachbetrachtung der GRÜNEN Veranstaltung: Wald, Forst und Borkenkäfer vom 07.01.2021: Klimawandel, Dürresommer und Borkenkäfer haben in unheiliger Konstellation ihre Spuren in unseren Wäldern hinterlassen. Besonders betroffen und für jede*n Waldbesucher*in sichtbar sind die abgestorbenen Fichtenflächen.

Durch großflächige Aufarbeitung glaubte man am Anfang der Käferkrise, der Ausbreitung von Buchdrucker und Kupferstecher stoppen zu können. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Die Fichten sterben – Hektar um Hektar. Aber auch andere Baumarten wie Buchen und Eschen leiden und sterben ab.

In einem Onlinetalk lotete­ die Bielefelder GRÜNE Ratsfraktion in 24-köpfiger Interessiertenrunde die Optionen aus, wie es jetzt mit dem Wald, am Beispiel Bielefelds, weitergehen soll. Als fachkundige Gesprächspartner standen Klaus Feurich, dem umweltpolitischen Sprecher der GRÜNEN Ratsfraktion, Adalbert Niemeyer-Lüllwitz (BUND Bielefeld) und Holger-Karsten Raguse (Leiter Regionalforstamt OWL – Wald und Holz NRW) zur Seite.

Einleitend wurde die Frage beleuchtet, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, die toten Fichten aus dem Wald zu entfernen, wenn ihr Verbleib keine Effekte auf die rasante Ausbreitung des Borkenkäfers hat. Aus Sicht des BUND hat das Belassen des Totholzes im Wald viele Vorteile. Der Boden wird vor Austrocknung durch starke Sonneneinstrahlung aufgrund der fehlenden Verschattung geschützt. Ebenso werden die Schäden durch schwere Erntemaschinen verringert, die u.a. durch die Verdichtung des Waldbodens dafür sorgen, dass das weniger werdende Regenwasser nicht im Boden versickern kann, sondern größtenteils abläuft und so ebenfalls zur Austrocknung beiträgt. Darüber hinaus dient das Totholz als Lebensgrundlage für viele Pflanzen, Pilze und Tiere, bildet einen natürlichen Schutz und bindet außerdem CO2 im Wald. „Insgesamt hat die Naturverjüngung des Waldes einen besseren Start, wenn wir die toten Fichten im Wald belassen. Die Bäume stattdessen abzuräumen und in Containern nach China zu verschiffen, macht weder ökonomisch noch ökologisch Sinn.“, so Niemeyer-Lüllwitz.

Vom Prinzip her sieht Raguse die Sache ähnlich. Er weist jedoch darauf hin, dass es durchaus Gefahren birgt, die Fichten in voller Länge stehen zu lassen. Die Forstarbeiter werden in den kommenden Jahren der Gefahr abbrechender Fichten ausgesetzt. „Da macht es durchaus Sinn, nur die untersten 2-3 Meter der toten Bäume im Wald zu belassen.“, erläutert Raguse eine der Handlungsmöglichkeiten, die derzeit Wald und Holz NRW priorisiert.

Der Umgang mit den toten Fichten ist die eine Sache, eine andere, wie der neue Wald entstehen soll. Die Naturverjüngung, also das Heranwachsen von Bäumen, die sich selbst samen ist eine Möglichkeit, die der Naturschutz favorisiert. Samen umliegender Bäume fliegen viele hunderte Meter. Gerade Pionierbaumarten wie Birke, Eberesche und Pappel wachsen oft innerhalb kürzester Zeit im Schatten der abgestorbenen Bäume zum Wald der Zukunft heran. Raguse weist darauf hin, dass in einem reinen Fichtenforst eine Naturverjüngung, die nur mit Fichte stattfindet, nicht zielführend ist. Hier müsse man der Natur durch gezielte Anpflanzungen mit anderen Baumarten auf die Sprünge helfen – ohne blinden Aktionismus allerdings, denn der Natur erst einmal genügend Zeit zu lassen, ist nicht nur sinnvoll für ein natürliches Waldbild, sondern spart auch Arbeitskräfte und Geld beim Nachpflanzen.

Oberstes Ziel ist, da sind sich Naturschutz und Forstwirtschaft einig, schnellstmöglich zu Waldformen mit guter Wuchskraft und CO2-Bindung zu kommen. Dies geschieht durch Abwarten der natürlichen Entwicklung, aber nach einiger Zeit auch durch gezieltes Anpflanzen von jungen Bäumen.

Welche das sein sollen, wird unterschiedlich bewertet. Niemeyer-Lüllwitz favorisiert neben Pionierbaumarten, die auch im Sinne der Forstwirtschaft Nutzen bringen und die er als schnelle Wiederhersteller der Waldfunktionen sieht, vor allem heimische Arten wie Buchen, Ahorn und Eichen. Raguse denkt hier experimentierfreudiger. Für ihn sind auch nicht heimische Arten wie Küstentanne, Edelkastanie, Zeder und Douglasie zur Erweiterung des Baumartenspektrums durchaus interessant – vor allem, weil sie die Hoffnung bergen, mit den geänderten klimatischen Bedingungen besser zurecht zu kommen. Dies natürlich nur außerhalb von Schutzgebieten und in eng begrenztem Umfang. Aber: „Gerade die Nadelholzarten brauchen wir als nachhaltige Ressource. Es macht keinen Sinn, wenn wir das Holz, das wir hier benötigen aus Weißrussland importieren.“, stellt Raguse fest.

„Der Zukunftswald ist kein Wald, den wir uns aus dem Forstbaukasten bauen können. Wir brauchen Ökosysteme, die gut funktionieren.“, gibt Niemeyer-Lüllwitz zu bedenken. Gerade in den FFH (Fauna-Flora-Habitat-) Schutzgebieten des Teuto wird das Waldbild der Buchenwaldgesellschaft unter Schutz gestellt. In diesen sensiblen Bereichen sei kein Platz zum Experimentieren mit nicht-heimischen Baumarten, die das Ökosystemgefüge stören.

In der Zusammenfassung liegen die Sichtweisen von BUND und Wald und Holz NRW in großen Teilen nicht weit voneinander entfernt: Es macht Sinn, die abgestorbenen Fichten (in Teilen) im Wald zu lassen, um den Boden zu schützen und die Naturverjüngung zu fördern. Es macht ebenfalls Sinn, dort, wo sich der Wald nicht auf natürliche Weise entwickelt durch Nachpflanzungen steuernd einzugreifen.

Im Gespräch kamen viele wichtige Aspekte zur Sprache, die die GRÜNE Ratsfraktion nun für ihre weitere Arbeit nutzen möchte. „Egal, wem der Wald gehört, wichtig ist, dass bei der Entwicklung des klimastabilen Zukunftswaldes alle an einem Strang ziehen. Hier brauchen wir einen ausgewogenen Dialog zwischen Stadtwald und den privaten Waldbesitzern.“ so Klaus Feurich. Mit einem Blick nach Düsseldorf spricht er sich dafür aus, dass die Fördergelder für die Privatwaldbesitzer dahin ausgerichtet sein müssen, dass nachhaltiges Handeln gefördert und belohnt wird. Feurich weiter: „Insbesondere ist es als kontraproduktiv zu werten, dass der Kaufpreis für Totholz über Landesförderprogramme zuletzt sogar erhöht wurde, statt dass es eine Prämie für das Belassen des Totholzes im Wald gibt. So wird das Räumen von Totholzflächen leider noch eher gefördert, statt dass man – wie bei Ackerblühstreifen – die Nichtnutzung dieser Flächen belohnt. Hier muss ein Umdenken stattfinden.“

Für den städtischen Wald sind aus GRÜNER Sicht zentrale, sinnvolle Forderungen u.a. ein Verbleib der abgestorbenen Fichten im Bestand, um dem Bielefelder Wald den Neustart zu erleichtern. Aber auch ein Einschlagmoratorium für Buchen ist aus GRÜNER Sicht ein wichtiger Eckpfeiler. „Jetzt, wo so viele Bäume im Wald ausgefallen sind, ist es schwer vermittelbar, dass auch noch alte, gesunde Buchen aus den Beständen geschlagen werden. Das bedarf einer kritischen Betrachtung. Auch das Einbringen nicht-heimischer Baumarten in unsere FFH-Buchenwaldgebiete möchten wir ausschließen.“, so Klaus Feurich abschließend, „Und am liebsten möchten wir diesen Weg gemeinsam mit allen Waldbesitzer*innen gehen. Denn die Zukunftsfähigkeit unseres Waldes zu sichern ist eine Aufgabe, die wir nur gemeinsam stemmen können.“