Kerstin Haarmann im Life-Talk mit Henner Zimmat von der Kaufmannschaft Altstadt zum Thema Lokale Wirtschaft: Chancen und Risiken in Corona-Zeiten

Wir sind wie eine Guerilla-Truppe. Oft schneller als der Schall“, ist Henner Zimmat überzeugt, wenn er über die Kaufmannschaft Altstadt spricht. Als dessen erster Vorsitzender diskutierte der Bielefelder Einzelhändler mit Kerstin Haarmann, der designierten grünen OB-Bürgermeister-Kandidatin am Donnerstagabend im Online-Talk. „Lokale Wirtschaft – Krise oder Chance“ lautete das Thema, das auch im Chat regen Zuspruch fand.

Die Corona-Krise habe die Kaufmannschaft natürlich auch mit Wucht getroffen. Statt den Kopf in den Sand zu stecken entwickelten Zimmat, der seit 30 Jahren Geschäftsmann ist und derzeit eine Medienagentur betreibt, und seine Mitstreiter schnell das Kauf-Portal „Wir-liefern.jetzt“. „In Bielefeld waren wir damit die ersten. Rund 160 Shops sind dabei. Wir haben die Altstadt gepuscht“, zog er zufrieden Bilanz. „Ich selbst habe eine Espresso-Maschine gekauft. Eine super Sache“, berichtete Kerstin Haarmann über ihre Erfahrung mit dem Online-Portal und wollte wissen, ob es weiterentwickelt werde. Zimmat gab sich vorsichtig optimistisch. Für den Aufbau der Infrastruktur würden doch viel Personal, Lieferwege und Lagermöglichkeiten benötigt. „Wir schauen, wie wir das Format weiterführen.“ Der Kontakt mit Bielefeld Marketing laufe gut und sei aus seiner Sicht ausbaufähig.

Freuen dürfen sich die Bielefelder Kunden aber auf eine großangelegte Gutschein-Aktion Ende Juni. „Wir streuen rund 100.000 Gutscheine über die heimische Presse. Diese können im Einzelhandel und in der Gastronomie eingelöst werden“, kündigte der Vorsitzende der Kaufmannschaft an.

Große Sorgen machen sich Kerstin Haarmann und Henner Zimmat über die lokale Gastronomie, deren Umsätze um mehr als 50 Prozent weggebrochen seien. „Was können wir noch tun?“, fragte die designierte grüne OB-Kandidatin wissen – wohlwissend, dass die finanziellen Hilfen des Konjunkturpaktes erst langsam greifen werden. „Dass uns die Verwaltung die Sondernutzungsgebühr für die Außengastronomie erlässt, ist ein großer Schritt nach vorn“, sagte Zimmat.  Es müssten jetzt flexible und unproblematische Lösungen gefunden werden, wie Bestuhlungen mit Abständen realisiert werden können. In geeigneten Bereichen auch mal Parkplätze als Flächen zu nutzen wie der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, das hatte Kerstin Haarmann gefordert.  Ohnehin setzen sich die Bielefelder Grünen für eine attraktivere Innenstadt ein. Dazu gehören ein verbesserter Rad-, Bus-und Bahnverkehr sowie mehr Platz zum Spielen und Verweilen. „Wir müssen es allen Kunden schmackhaft machen, auch mal ohne Auto nach Bielefeld zu kommen“, fasste sie zusammen. Die Zahl der Pendler-Parkplätze müsste dringend erhöht und ihre Lage auch besser kommuniziert werden. „Man sieht doch jetzt schon beim Jahnplatz-Umbau, dass sich der Verkehr staut. Heimische Leute finden Abkürzungen, aber Kunden von außerhalb bleiben weg“, pflichtete ihr Zimmat bei und plädierte für feinfühlige Lösungen: „Ich gebe auch zu, dass ich gerne Auto fahre und am liebsten möglichst nah ran möchte an einen Laden.“

Für Pilotprojekte wie „ein autofreies Hufeisen“, das ein Chat-Teilnehmer an einem verkaufsoffenen Sonntag in Kombination mit einem Aktionstag „ohne-Auto-mobil“ vorschlug, sind Kerstin Haarmann und Henner Zimmat generell offen. Sie gaben aber zu bedenken, dass dafür ein sehr gutes Parkleitsystem nötig sei.  Der Realisierung eines kostenlosen ÖPNV räumte Kerstin Haarmann wenig Chancen ein: „Die Kosten können nur schwer refinanziert werden.“ Sie setzt dagegen auf günstige Abo-Preise, dichtere Zeit-Taktung und eine verbesserte Digitalisierung der Innenstädte. Der vor einigen Jahren nicht weiter verfolgten Idee eines „Stadtschlüssels“ werde sie auf den Grund gehen. Laut Henner Zimmat habe die Stadt Bielefeld dafür keine überregionalen Fördergelder erhalten. Beim Projekt „Stadtschlüssel“ sollten Kunden die Tickets für Parkhäuser mit ihren Einkäufen verrechnen.

Frei nach dem Motto „Machen statt meckern“ warb der Altstadt-Händler noch für die bundesweite Aktion „Night of Light“. In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni erstrahlen bundesweit Veranstaltungsgebäude in rotem Licht, um auf die dramatische Situation in der Veranstaltungswirtschaft aufmerksam zu machen. Er hofft, dass sich Bielefeld beteiligt, beispielsweise mit der Kunsthalle oder der Sparrenburg.