Matthi Bolte-Richter: „Prinzip Hoffnung“ ist keine Politik

Matthi Bolte-Richter, Sprecher für Wissenschaft, Innovation, Digitalisierung und Datenschutz der GRÜNEN Landtagsfraktion, über die planlose Schulpolitik der Landesregierung unter Pandemie-Bedigungen:

Die Corona-Pandemie hat die Schulen vor enorme Herausforderungen gestellt. Das Krisenmanagement von FDP-Schulministerin Gebauer ist katastrophal – das zeigt sich auch in Bielefeld.

In NRW waren im November über 300.000 Schüler*innen und 30.000 Lehrer*innen in Quarantäne, derzeit sind fast alle Schule betroffen. Gleichzeitig steigt der Druck auf die verbliebenen Schüler*innen und Lehrer*innen, die im Frühjahr gerissenen Lücken aufzuarbeiten, und auch Eltern stehen vor existenziellen Sorgen. Der „Regelbetrieb“, von dem die schwarz-gelbe Landesregierung immer spricht, erweist sich jeden Tag stärker als politische Fiktion, die von der Realität völlig entkoppelt ist.

Der Arbeitskreis Schule der Bielefelder Ratsfraktion und ich haben Anfang Dezember ein gemeinsames Fachgespräch mit Vertreter*innen von Schulleitungen, OGS und Schüler*innen durchgeführt und vor allem zugehört. An die viel beschworene Normalität ist zwischen Hygieneplänen und Lüften nicht zu denken. Die Schulen fangen mit großem Engagement auf, dass in Düsseldorf die Sommermonate eben nicht genutzt wurden, um Konzepte für Herbst und Winter zu erarbeiten. Und weil Ministerin Gebauer als einzige Antwort „Stoßlüften“ im Angebot hat, sitzen Kinder jetzt in Decken gehüllt im Klassenraum.

Personal fehlt an allen Ecken und Enden. Lehrer*innen aus Risikogruppen gehen wieder in die Schule, weil sie ihre Kolleg*innen nicht alleine lassen wollen. Das ist durchaus ehrenwert, aber natürlich nicht im Sinne der Pandemie-Prävention. Wir GRÜNE schlagen vor, Lehramtsstudierende in den Schulen zur Unterstützung arbeiten zu lassen. Die Landeslehramtsfachschaften haben hierzu ihre Bereitschaft signalisiert – allein: sie dürfen nicht, weil die Schulministerin nicht will.

Planungssicherheit schaffen

Was uns von der Basis in Bielefeld rückgespiegelt wurde: Es braucht offensive und langfristige Planungssicherheit für Schulen und die Möglichkeit, individuell und vor Ort Lösungen zu finden. In manchen Schulen würde Hybrid-Unterreicht gut funktionieren, in anderen sind andere Lösungen gefragt. Auf Landesebene hat Ministerin Gebauer aber klargemacht, dass sie den Weg mit einem verantwortungsvollen Wechsel von Distanz- und Präsenzmodellen nicht gehen will. Wenn individuelle Quarantänen oder (Teil-) Schulschließungen den Schulbesuch und das Lernen in der Realität immer häufiger unterbrechen, ist es besser, planvolles Lernen auf Distanz zu ermöglichen statt Salami-Lockdowns.

Diesen Handlungsspielraum wünschen sich Schulleitungen auch in Bielefeld – und damit auch Wertschätzung ihrer Arbeit, da ihr Wissen und ihre Expertise über ihre Schule anerkannt werden. Diesen Handlungsspielraum und auch ihre langfristige Planung und die Kommunikation muss vor allem die Landesregierung und die Schulministerin leisten.

Digitalisierung dringend nötig

Wir wollen Lernräume krisenfest gestalten. Zur Sicherung der Bildungsabschlüsse müssen die Formate der Leistungsbewertungen und Leistungsfeststellungen auf den Prüfstand und den Umständen angepasste Alternativen entwickelt werden. Wir müssen Schulen von Aufgaben entlasten, für mehr Personal in Schulsekretariaten sorgen. Den Bedarfen von Kindern mit Behinderungen muss ebenso Rechnung getragen werden. Und natürlich müssen wir die Digitalisierung noch stärker unterstützen. Allein an den Bielefelder Berufskollegs sind 4.000 digitale Endgeräte für Schüler*innen neu beschafft worden. Das ist gut, weil es ein Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit ist. Aber der wird nur funktionieren, wenn es mehr Kapazitäten für Administration und Support gibt – denn selbst bei diesen Größenordnungen gibt es bisher keine Stellen hierfür. Es fehlt an den Schulen auch an Ausstattung, um Schüler*innen in Quarantäne am Unterrichtsgeschehen teilhaben zu lassen. Bisher steht oft irgendwo im Raum ein Laptop, über den sich Schüler*innen von zuhause aus einbringen sollen. Auch hier gilt: den Umständen entsprechend ehrenwert improvisiert, aber keine Lösung, die uns näher an Bildungsgerechtigkeit bringt.

In neun Monaten Pandemie haben wir als Opposition viele konstruktive Vorschläge unterbreitet, ebenso wie Vertreterinnen und Vertreter von Schulen, Eltern, Gewerkschaften und Kommunen. Sie alle wurden von der Schulministerin ignoriert. Bei Schwarz-Gelb regiert mittlerweile allein das Prinzip Hoffnung. Aber das ersetzt keine Politik.