Radeln zur Kunst

Die Ratsfraktion hat sich mit Interessierten aufgemacht zu Kunstwerken im öffentlichen Raum, selbst eine temporäre Skulptur geschaffen und thematisiert, was diese Kunst kann und auch was sie braucht.

Die Elch-Skulptur im Bürgerpark wurde schon behäkelt, beschmiert und seine Hufe lila lackiert. Und jetzt hat die GRÜNE Ratsfraktion sie in Plastik gehüllt und so eine ganz neue, temporäre Skulptur geschaffen. Ein Denkmal zum Plastikkonsum. Kunst, an der sich Passant*innen stoßen können, die ratlos machen oder zur Auseinandersetzung und Aneignung reizen kann. Was der Künstler Hans Martin Ruwoldt davon gehalten hätte, ist natürlich nicht überliefert. Er schuf den Elch 1962 für Vertriebene, die mit dem Denkmal an ihre Heimat Gumbinnen (heute Gussew) erinnern wollten.

Der Elch war nur eine Station auf bei der Aktion der GRÜNEN Ratsfraktion „Radeln zur Kunst“, an der rund 30 Leute teilnahmen. Los ging es an der alten Fachholschule, wo auf dem Campus seit 1974 die Gitterkugel-Skulptur Sphéres-trames von François Morellet steht – inzwischen teilweise verbogen, verwittert, überwuchert und durch einen Bauzaun gesichert. „Dabei wird der Wert des Kunstwerkes auf eine Millionen Euro geschätzt“, berichtet Bernd Ackehurst, Mitglied im Kulturausschuss. „Und dabei waren der Künstler und der Kunsthallenleiter Dr. Friedrich Meschede damit schon vor einigen Jahren damit einverstanden, Sphéres-trames in den Skulpturenpark der Kunsthalle zu versetzen. Die rund 110.000 Euro teure Sanierung wäre mit Hilfe von Sponsoren und dem Förderkreis der Kunsthalle machbar gewesen“.

Das Problem: Der Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) des Landes NRW, den 2016 die damalige NRW-Kultur-Ministerin Christina Kampmann eindeutig als Eigentümer identifizierte, fühlte sich lange nicht verantwortlich. Daran haben viele engagierte Bürger*innen in den vergangenen 10 Jahren nichts ändern können. Einer von ihnen, FH-Prof. Andreas Beaugrand, erhielt auf die Frage, wie es denn nun mit der Plastik weitergehe, die eindeutige, von Zeugen verbürgte Antwort des damaligen Bielefelder BLB NRW-Niederlassungsleiters Heinrich Micus: „Herr Beaugrand, Ihr Morellet geht mir am Arsch vorbei.“ Das war vor gut zwei Jahren. Inzwischen hat der BLB nun doch zu Verstehen gegeben, dass er die Sanierung der Plastik selbst in die Hand nehmen will. „Nur, das glaubt nach der Geschichte keiner mehr“, sagt Ackehurst. „Ich denke, hier muss Politik ran und sehen, was noch zu retten ist.“

Die Radler*innen können sich davon überzeugen, dass nicht überall Retter gefragt sind. Das Gesellschaftsspiel von Ludger Gerdes vor dem Polizeipräsidium ist gut in Schuss. Und auch die Plastik Male Female von Jonathan Borofsky, die die Industrie- und Handelskammer 1999 zum 150. Bestehen von der Unternehmerschaft OWL geschenkt bekam, ist in einem richtig guten Zustand. Wie es insgesamt um die Kunst im öffentlichen Raum in Bielefeld bestellt ist, weiß niemand. Es fehlt eine Aufstellung mit Informationen zum Zustand, zu Eigentümern und Entstehungsgeschichte. Immerhin, die Stadtverwaltung arbeitet.

Die Route der GRÜNEN Radler*innen führte vor allem an Sorgenkindern vorbei. Dazu zählen auch die Badenden, die Schüler*innen der Gertrud-Bäumer-Realschule vor 18 Jahren im Kunstkurs „Plastisches Gestalten“ geschaffen haben. Nicht nur, dass zwei Figuren des vor ein paar Jahren sanierten und mit einem neuen Farbkonzept ausgestatteten Viererensembles besprüht sind. Die Gruppe wirkt deplatziert, geradezu ein wenig einsam. Das liegt sicher an dem trocken gelegten Brunnen direkt daneben, in dem zwischen abgestorbenem Grün die zwei Reiher aus Bronze von Hans Grohé förmlich untergehen. Früher sah der Brunnen in seinem kräftigen Türkis aus wie das Freibad der Badenden. Bautechnische Gründe sprächen gegen eine Sanierung, so die Stadt gegenüber der Schule. Ändern wird sich hier also so schnell nichts.

Hoffnung gibt es dagegen für den Spindelbrunnen, der letzten Station beim „Radeln zur Kunst“. Die überdimensionale Spindel von Kurt-Wolf von Borries wurde von einem benachbarten Kaufmann gestiftet und 1970 in der Bahnhofstraße aufgestellt. Hier verabredeten sich die Generationen, hier starteten Demos und hier traf sich auch die Drogenszene. Ein allseits beliebtes Kunstwerk also. Aber in den letzten Jahren wurde es immer wieder von LKW angefahren. Inzwischen ist die Brunnenkammer hin, die Spindel muss es abgestützt und mit einem Bauzaun gesichert werden.

Der Kulturausschuss hat jetzt die Bezirksvertretung Mitte aufgefordert, den Brunnen dort zu lassen, wo er ist, und für gut 200.000 Euro zu sanieren. Die Bezirksvertretung wollte die Spindel eigentlich einmotten. „So etwas darf nicht passieren“, betont Bernd Ackehurst. „Kunst im öffentlichen Raum braucht Wertschätzung – und auch Geld, um sie zu erhalten“.