Rieselfelder Windel werden Naturschutzgebiet

Inge Schulze
Inge Schulze

Dr. Inge Schulze hielt am 26.09.2013 im Rat der Stadt Bielefeld zu TOP 4 “4. Änderung des Landschaftsplanes Bielefeld-Senne zur Erweiterung des Naturschutzgebietes 2.1-6 Kampeters-Kolk und zur Ausweisung des Naturschutzgebietes 2.1-23 Rieselfelder Windel” folgende Rede:

Es war ein langer Weg. Seit 1932 war die Fläche der Rieselfelder Windel Firmenstandort mit dem Schwerpunkt Textilverarbeitung wie Bleichen, Drucken, Färben. Diese Branche hat einen enorm hohen Wasserverbrauch. Die Abwässer wurden ab 1938 auf einer Fläche von 100 ha durch Verrieseln von einigen Stoffen gereinigt und das Wasser anschließend in den Reiherbach geleitet. In den 70er Jahren wurden zur besseren Reinigung Schönungsteiche mit Schilf- und Röhrichtgürteln angelegt. Die Rieselfelder entwickelten sich zu einem wichtigen Trittstein für Vögel auf ihrem Frühjahrs- und Herbstzug. Aber auch für heimische Arten wie den Kiebitz und die Uferschnepfe, die durch die intensiver werdende landwirtschaftliche Nutzung zunehmend aus der Kulturlandschaft verschwanden, wurde das Gebiet zu einem Refugium, in dem Brut- und Jungenaufzucht noch gelingen konnte. Nach der Verschärfung der Vorgaben für die Abwasserbehandlung baute die Firma Windel in den 90er Jahren eine Kläranlage auf ihrem Gelände und die Flächen der Rieselfelder wurden zur landwirtschaftlichen Nutzung freigegeben. Damit drohte ein Stück “Natur aus Menschenhand” wieder zu verschwinden.

Es ist besonders Dietmar Stratenwerth von der Stiftung Ravensberg zu verdanken, dass nach mehrjährigen Gesprächen mit den Eigentümern der Firma Windel 1995 eine Einigung im Sinne des Naturschutzes erzielt werden konnte. Eine Flächen von 40 ha wurde in die neugegründete “Stiftung Rieselfelder Windel” eingebracht und wird von der Stiftung unentgeltlich bis 2055 als Fläche für den Naturschutz zur Verfügung gestellt. Dietmar Stratenwerth und Friedrich Meyer-Stork wurde für diesen Erfolg 1996 mit den Umweltpreis der Stadt Bielefeld gedankt.

Einige Jahre später wurde das Gebiet auf 60 ha erweitert. Es wurde ein Entwicklungskonzept für die Fläche erarbeitet, das durch Sponsoring finanziert und von der Bio-Station Bielefeld-Gütersloh umgesetzt wurde. Es waren umfangreiche Arbeiten zu erledigen, die Wartung des Bewässerungssystems, damit weiter offene Wasserflächen zur Verfügung stehen, es mussten Hecken angelegt werden. Um das Zuwachsen der Flächen zu verhindern, mussten eine Beweidung der Grünlandbereiche organisiert und unerwünschter Gehölzwuchs entfernt werden. Dann erfolgte die Renaturierung des Reiherbaches. Alle diese Arbeiten wurden seit 1995 ohne finanzielle Beteiligung der Stadt Bielefeld durchgeführt; die notwendigen Eigenmittel mussten durch Sponsoring aufgebracht werden.

Es entstand ein Gebiet mit vielfältigen Lebensräumen, das schrittweise auch durch den Bau von Beobachtungstürmen und das Anlegen von Wegen für die Bevölkerung erlebbar gemacht wurde. Für dieses langjährige – in vielen Teilen ehrenamtliche Engagement – möchte ich mich für die grüne Ratsfraktion bei der Stiftung, den Mitarbeitern der Biologischen Station Bielefeld – Gütersloh und allen Sponsoren bedanken.

Die Naturschutzwürdigkeit dieses Gebietes ist schon seit vielen Jahren gegeben. Lange wurde ein politischer Beschluss dazu blockiert, da völlig unbegründet befürchtet wurde, dass ein Naturschutzgebiet Rieselfelder den Bau der A33 auf Bielefelder Gebiet verhindern könnte. Nun ist die A33 in diesem Bereich fertig, und der Rat wird heute den Beschluss den Rieselfeldern Windel den Status eines Naturschutzgebietes zu verleihen, einstimmig fassen. Parallel dazu wird auch das nur 2 ha große Naturschutzgebiet “Kampeters Kolk” auf der anderen Seite der A33 mit Flächen aus Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wegen des Baus der A33 auf 40 ha vergrößert. Diese Flächen dürfen in Zukunft nur extensiv genutzt werden und verbreitern das Spektrum der Lebensräume in diesem Gebiet. Insgesamt entsteht so ein Naturschutzgebiet von über 100 ha Größe.

Mit dem Beschluss heute übernimmt die Stadt Bielefeld auch in die finanzielle Verantwortung für den Erhalt des Charakters des Gebietes und die Vielfältigkeit der Lebensräume. Dazu ist eine dauerhafte Pflege der Flächen notwendig. Ich bin sicher, sie wird in intensiver Zusammenarbeit mit der Bio-Station durchgeführt.

Die Bio-Station kann in Zukunft mit den eingeworbenen Mitteln ihr Konzept, in den Rieselfeldern Naturerfahrung zu ermöglichen und umweltpädagogische Angebote anzubieten, ausbauen. Im letzten Jahr wurde mit Stiftungsmittel eine barrierefrei zugängliche Beobachtungsstation eingerichtet. Auch dafür herzlichen Dank.

Mit dem heutigen Beschluss sichern wir dauerhaft ein Kleinod in Bielefeld. Ich hoffe, dass viele Menschen durch Naturerfahrung in den Rieselfeldern Windel einen Zugang zu der Schönheit natürlicher Lebensräume erfahren werden und ihre Bedeutung auch in unserer Landschaft erkennen. Aus dieser Erfahrung kann Verständnis, Akzeptanz und hoffentlich auch Engagement für Naturschutz erwachsen.