11/09: Hilfen aus einer Hand

Dr. Iris Ober
Dr. Iris Ober

Dr. Iris Ober hielt am 26.11.2009 im Rat der Stadt Bielefeld zu TOP 5.2 der Tagesordnung folgende Rede:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

ich freue mich, dass wir den vorliegenden gemeinsamen Antrag heute wohl mit einer breiten Zustimmung beschließen werden.

Es geht um das aus unserer Sicht ganz wichtige Thema der schon wieder anstehenden Korrektur des Sozialgesetzbuch II, d.h. der Hartz IV Gesetze, die aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus Dezember 2007 notwendig geworden ist.

Die neue Bundesregierung hat sich bei der geplanten Neuregelung für den schlechtesten aller möglichen Wege entschieden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein 23seitiges Eckpunktepapier zur „Neuorganisation der Aufgabenwahrnehmung im SGB II“ vorgelegt, mit dem eine getrennte Aufgabenwahrnehmung durch Kommune und Bundesagentur für Arbeit eingeführt werden soll. Die Bundesagentur für Arbeit soll allein die Arbeitsvermittlung betreiben und die Kommune soll nur noch die Leistungen für Unterkunft und Heizung auszahlen.

Die geplante Neuregelung geht also nicht den Weg einer Änderung des Grundgesetzes, wodurch eine Beibehaltung der bestehenden Mischverwaltung möglich wäre. Die derzeit bestehende Mischverwaltung zwischen Kommune und Bundesagentur für Arbeit war und ist zwar auch nicht immer leicht, aber es konnte doch trotzdem einiges im Sinne der betroffenen Hilfeempfänger erreicht werden. ich erwähne hier nur beispielhaft die auch im Antragstext aufgeführten besonderen Hilfen und Maßnahmen für eine bestimmte Personengruppe mit besonderen Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt.

Die von der Bundesregierung angestrebte getrennte Aufgabenwahrnehmung bedeutet zwangsläufig doppelte Strukturen. Der Betroffene erhält seine Leistungen nicht mehr aus einer Hand. Er hat unterschiedliche Berater für die jeweiligen Bereiche. Es gibt auch getrennte Bescheide und in Folge dessen muss der Betroffene ggf. auch zwei Widerspruchsverfahren und Klageverfahren führen. Bei den schon jetzt erheblich überlasteten Sozialgerichten wird dies die Situation noch verschlimmern. Nicht zu akzeptieren ist aber vor allem, dass diese komplexen Strukturen weitere Hindernisse für die Hilfeempfänger bedeuten.

Ein großes Problem sehen wir auch bei der Personalsituation. Der Personalbedarf bei der Arbeitsagentur wird zunehmen und bei der Kommune abnehmen. Kommunalen Mitarbeitern sollen Angebote zur befristeten Weiterarbeit oder zum dauerhaften Übertritt zur Bundesagentur unterbreitet werden. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass das Interesse der kommunalen Mitarbeiter nicht besonders groß ist, zur Zentralbehörde Bundesagentur für Arbeit zu wechseln.

Es wird in dem Papier der Bundesregierung immer wieder darauf hingewiesen, dass es durch die getrennte Aufgabenwahrnehmung zu finanziellen Mehraufwänden kommen wird, die durch eine gute Kooperation der Leistungsträger möglichst reduziert werden soll. Auf die gute Kooperation bin ich mal gespannt. Es ist eine Katastrophe, dass die auch angesichts steigender Arbeitslosenzahlen so dringend zur Hilfe der Betroffenen benötigten finanziellen Mittel hier so einfach für ein Mehr an Bürokratie ausgegeben werden. Wir brauchen doch nicht mehr, sondern weniger Bürokratie!

Für uns ist von ganz zentraler Bedeutung, dass mit dieser getrennten Aufgabenwahrnehmung der Einfluss der Kommunen auf die kommunale Arbeitsmarktpolitik auf Null reduziert wird. Wir setzen uns ein für flexible vor Ort zu steuernde Arbeitsmarktprogramme unter Einbeziehung der örtlichen Träger und der regionalen Wirtschaft. Eine solche Arbeitsmarktpolitik muss unserer Ansicht nach von der Kommune betrieben werden und ich sehe hier auch eine Verantwortung der Kommune, sich für die betroffenen Personen derart einzusetzen.

Zur Beibehaltung einer eigenständigen kommunalen Arbeitsmarktpolitik bitten wir den Oberbürgermeister, auch für Bielefeld überprüfen zu lassen, ob nicht der Übergang zu einer Optionskommune möglich ist, d.h. die vollständige Übernahme der Aufgabenwahrnehmung nach dem Sozialgesetzbuch II. Viele andere große Städte, wir haben sie im Antrag aufgeführt – Stuttgart, Gelsenkirchen, Duisburg, München und Hamburg – prüfen angesichts der durch die Bundesregierung drohenden Neuregelung derzeit ebenfalls einen solchen Übergang.

Festzuhalten bleibt also, dass die Neuregelung der Bundesregierung zu einem Mehr an Bürokratie und somit zu Hindernissen für die Hilfeempfänger führt und die Kommunen zu Befehlsempfängern der Bundesagentur für Arbeit degradiert werden, so dass eine Arbeitsmarktpolitik, so wie wir sie uns wünschen, nicht mehr möglich sein wird. Zudem werden die Kommunen die Kosten für die Doppelstrukturen alleine tragen müssen und das in der bereits äußerst prekären Finanzlage. Vor diesem Hintergrund sollten wir jetzt schon die Möglichkeiten eines Übergangs zur Optionskommune prüfen und diesen Weg ggf. gemeinsam beschreiten. Nur so haben wir eine kommunale Steuerung der Arbeitsmarktpolitik weiter in der eigenen Hand.