Individuelle Förderung statt Abschulung

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In Deutschland gibt es zwischen den einzelnen Schulformen weit mehr Ab- als Aufsteiger, das zeigt die aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zur Durchlässigkeit der Schulsysteme in den 16 Bundesländern.

Der Bielefelder Lernreport 2012 zeigt, dass die von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichten Tendenzen in den zentralen Aussagen auch auf Bielefeld zutreffen. Allein im Schuljahr 2010/2011 haben 244 Schülerinnen und Schüler im Verlauf der Sekundarstufe I die Schulform gewechselt. Unabhängig von den individuellen Gründen bedeutet jeder dieser Wechsel für die betroffenen SchülerInnen einen besonderen Einschnitt in der Schullaufbahn. Sie müssen sich an eine neue Lernumgebung mit völlig neuen schulischen Anforderungen gewöhnen, an neue MitschülerInnen, neue Lehrkräfte – kurz: ein völlig neues soziales Umfeld. Dies mag für einzelne eine neue Chance für eine neue positive Entwicklung bedeuten; die meisten, vor allem diejenigen, die „absteigen” müssen, erleben dies aber als Makel und persönliches Scheitern.

Unter den 244 Schulformwechslern der Klassen 6-10 gab es in Bielefeld gerade einmal 30 SchülerInnen, die den „Aufstieg” von der Hauptschule an die Realschule bzw. von der Realschule an das Gymnasium schafften. 137 Wechsel müssen eindeutig als schulischer Abstieg bezeichnet werden. Auf 1 schulischen Aufstieg kommen damit 4,5 Abstiege.

Abschulungen werden von den Schülerinnen und Schülern als persönliches Versagen erlebt, neben der Motivation zu schulischem Engagement wird das Selbstvertrauen der SchülerInnen massiv beeinträchtigt. Die Bertelsmannstudie wie der Bielefelder Lernreport zeigen die Grenzen des mehrgliedrigen Schulsystems, das für Durchlässigkeit nur die Richtung abwärts kennt. Der schulgesetzliche Anspruch auf individuelle schulische Förderung wird hier nicht erfüllt.

Wenn 5-10% der SchülerInnen eines Jahrgangs damit rechnen müssen, mindestens einmal in ihrer Schullaufbahn die Schulform wechseln zu müssen, zeigt das nach Ansicht der GRÜNEN aber auch, wie wenig verlässlich die Aussagekraft der frühzeitigen Schulprognose nach der 4. Klasse ist. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass nach Abschluss der Sekundarstufe I viele SchülerInnen die gymnasiale Oberstufe, insbesondere an den Gesamtschulen, erfolgreich durchlaufen.

Dr. Inge Schulze, schulpolitische Sprecherin der Ratsfraktion von B90/Die GRÜNEN: „Wir setzen uns für integrierte Schulsysteme ein, die alle Kinder dauerhaft mitnehmen und sie entsprechend ihrer Fähigkeiten individuell fördern. Inklusive Stadtteilschulen mit der Möglichkeit zu allen Bildungsabschlüssen sind unser Ziel. Sekundarschulen können auf diesem Weg nur ein erster Schritt sein.”

Weitere Informationen:

Bertelsmann-Studie – http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-59DB2E44-08F0B8AC/bst/xcms_bst_dms_36755__2.pdf

Bielefelder Lernreport 2012 – http://www.bielefeld.de/de/rv/ds_stadtverwaltung/asch/bib/rep/