Willkommensarchitektur – Ideen für menschenwürdiges Wohnen in Bielefeld

2015-11-Willkommensarchitektur

Mit gut siebzig Besucher*innen war der Murnausaal in der VHS im Ravensberger Park am 28.10. gut gefüllt, als sich alles um das Thema „Willkommensarchitektur“ drehte.

Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Prof. Jörg Friedrich (Uni Hannover), sowie Gregor Moss (Baudezernent Stadt Bielefeld), Oliver Klingelberg (BGW) und Martin Kaufmann (Freie Scholle). Moderation: Jens Julkowski-Keppler (Fraktionsvorsitzender GRÜNE Ratsfraktion)

In Bielefeld ist der verfügbare Wohnraum knapp geworden. Gerade im Sektor des „bezahlbaren“ Wohnraums sind so gut wie alle Reserven aufgezehrt. Das verursacht nicht nur Probleme, wenn es darum geht, den Flüchtlingen, die in Bielefeld bleiben werden, ein Zuhause anzubieten, sondern stellt auch Geringverdiener und Studenten vor schier unlösbare Aufgaben.

Demzufolge beschäftigt die Frage, wie möglichst schnell Häuser und Wohnungen auf einem guten Standard in ausreichender Zahl bereitgestellt werden können, derzeit Stadtplaner*innen, Architekt*innen und Kommunalpolitiker*innen. In Bielefeld besteht dringender Handlungsbedarf: die Verwaltung geht in ersten Schätzungen von einem kurzfristigen Wohnungsbedarf für 3.000 Flüchtlinge in den nächsten 4-5 Jahren aus.

Jemand, der sich intensiv mit der Thematik „Willkommensarchitektur/Menschenwürdiges Wohnen“ beschäftigt hat, ist der Hannoveraner Architekturprofessor Jörg Friedrich. Gemeinsam mit seinen Studierenden hat er Konzepte und Vorschläge entwickelt, wie mit einfachen Mitteln qualitativ hochwertige und schnell zu realisierende Wohnungen – nicht nur für Geflüchtete – gebaut werden können. Die Zeit der menschenunwürdigen Unterbringung in Wohncontainern muss laut Friedrich allmählich der Vergangenheit angehören – zumal die Beschaffung der Container mit Preisen zu Buche schlägt, für die auch vernünftige Alternativen gebaut werden könnten. Und hier hat Jörg Friedrich einige Vorschläge im Gepäck: Baulücken durch eingeschobene Wohnelemente schließen, Flachdächer aufstocken, Teile von Parkhäusern zu Wohnraum ausbauen oder Wohnen im Schrebergarten erlauben. Wichtig sei aber immer, diese neuen Wohntechnologien an den öffentlichen Raum anzubinden, um soziales Leben im Quartier zu ermöglichen.

Gregor Moss, Baudezernent der Stadt Bielefeld, erläutert den Zuhörer*innen, wo Bielefeld derzeit steht. Um Wohnraum zu identifizieren wurde eine Taskforce eingerichtet, die sowohl bestehende Wohnungen als auch städtische Flächen auf Eignung untersucht. Für 2016 hält er die Bereitstellung von 400 Wohneinheiten für realistisch.

Die BGW entwickelt laut Oliver Klingelberg derzeit ihr bundesweit beachtetes Kita-Modul weiter. Mit einigen einfachen Modifikationen kann in Holzständerbauweise nachhaltiger Wohnraum geschaffen werden. Ein Modul braucht dabei eine Fläche von 1000m² und kann, je nachdem ob es zwei- oder dreistöckig gebaut wird, bis zu 35 Personen Raum bieten. Bei einer Bauzeit von fünf Monaten pro Modul plant die BGW in 2016 zehn solcher Wohnkomplexe zu schaffen.

Seit April 2015 bringt die Freie Scholle Flüchtlinge in ihrem Wohnungsbestand unter, wie Martin Kaufmann berichtet. Bereits 10 Wohnungen konnten zur Verfügung gestellt werden. Wichtig dabei sei, die Menschen nicht alleine zu lassen, sondern sie nach einem Modell der „Helfenden Hand“ dabei zu unterstützen, sich einzuleben und bei Fragen und Problemen  hilfreich zur Seite zu stehen.

Nach einer anregenden Diskussion fasst Jens Julkowski-Keppler zusammen: „Gut ist, dass Bielefeld insgesamt, Stadtverwaltung, Politik, Wohnungsbaugesellschaften, das Problem erkannt haben und Lösungsmöglichkeiten diskutieren. Allen Beteiligten ist bewusst, dass es nicht die eine gute Lösung gibt, sondern dass ein ganzes Bündel von Maßnahmen greifen muss. Neben den genannten Möglichkeiten von Jörg Friedrich, der BGW u.a., wird auch wieder neuer gefördert Mietwohnungsbau entstehen müssen. Eine Möglichkeit dies zu erreichen, wäre z.B. bei allen zukünftigen Bebauungsplänen eine Quote für geförderten Mietwohnungsbau festzuschreiben.“

Mehr zum Thema:
swr2-Kulturgespräch am 10.8.2015 mit Jörg Friedrich