04/2011: Energiekonzept der Stadtwerke Bielefeld GmbH ohne das AKW Grohnde

Inge Schulze
Inge Schulze

Dr. Inge Schulze hielt am 07.04.2011 im Rat der Stadt Bielefeld zu TOP 4.1 der Tagesordnung folgende Rede:

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

25 Jahre nach Tschernobyl war erst so eine schreckliche Katastrophe wie in Fukushima am 11. März 2011 notwendig, um einen gesellschaftlichen und politischen Konsens zum Ausstieg aus der Atomenergie zu erreichen. Dieser Konsens umfasst viele gesellschaftliche Gruppen wie die Kirchen, die Gewerkschaften und alle Parteien. In Bielefeld schließe ich auch die CDU in diesen Konsens mit ein.

 

Die logische Konsequenz dieser Überzeugung in Bielefeld ist der heutige Antrag, der den Ausstieg aus dem AKW Grohnde und den Verzicht auf die Nutzung der  Atomenergie durch die Stadtwerke und die Stadt spätestens 2018 bedeutet. Erst heute findet ein Antrag, der in ähnlicher Form schon 1988 durch den damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD Wolfgang Brinkmann in den Rat eingebracht wurde eine Mehrheit.

Ich zitiere einen Satz aus der Begründung von 1988, weil er zeigt, dass wir damals auch schon wussten, was erst heute in politischem Handeln mündet: „Im Bewusstsein unserer Verantwortung auch für die kommenden Generationen hält der Rat der Stadt Bielefeld es auf Dauer nicht für verantwortbar, die Menschen den atomaren Gefahren und Risiken, auch denen der zivilen Nutzung der Atomenergie auszusetzen.”

Warum hat es dann 25 Jahre gedauert, bis diese Erkenntnis Konsequenzen hat? Nach Tschernobyl wurden viele Argumente vorgebracht, die ein Verdrängen der Risiken ermöglichten und es erlaubten, dass sich erneut der Mantel des Vergessen oder Verdrängens über die Gefahren der Atomenergie legte.

Erst wieder durch das Unglück von Fukushima kommt ins Bewusstsein, dass die Atomenergienutzung ein Irrweg ist. Weltweit kann die Menschheit vielleicht 50 bis maximal 70 Jahre diese Technik nutzen, eine Technik, die wenigen in kurzer Zeit große Gewinne bringt, gleichzeitig aber für hunderte von Jahren den nachfolgenden Generationen Risiken und Gefahren, gesundheitliche Folgen und hohe Kosten aufbürdet. Die volkswirtschaftlichen Kosten dieses Irrwegs kann heute noch niemand beziffern.

Der Beschluss heute ist der Beginn eines langen Prozesses, der im Rat der Stadt Bielefeld nicht mehr umkehrbar ist. Der Beschluss hält alle Optionen für den Prozess offen. Oberstes Ziel ist das Abschalten von Grohnde, das nur durch ein Bundesgesetz bewirkt werden kann – für uns ist aber auch der Verkauf der Bielefelder Anteile denkbar und möglich; wenn das bis 2018 nicht erreicht wird, werden aber spätestens dann die Stadtwerke keinen Strom mehr aus dem AKW kaufen und verkaufen.

Nur anders als 1988, als die Stadtwerke Bielefeld noch zu 100% der Stadt Bielefeld gehörten, sind bei der Umsetzung des Beschlusses noch viele Hürden zu überwinden. Denn heute gehören den Stadtwerken Bremen 49,9 % der Anteil an den Stadtwerken Bielefeld.

Deshalb ist es notwendig, auch im Sinne der Umsetzung des heutigen Beschlusses, die Rekommunalisierung der Stadtwerke konsequent zu verfolgen.

Mit dem Beschluss beauftragen wir die Verwaltung, alle notwendigen Verfahren vorzubereiten, Fragen zu klären und den Rat kontinuierlich über die Umsetzung des Beschlusses zu informieren. Dem Antrag der CDU, erst die Beantwortung vieler Fragen vor einer Beschlussfassung zum Ausstieg abzuwarten , werden nicht zustimmen.

Einige der Fragen können schon heute beantwortet werden, andere dagegen sind auch bis Mai nicht zu beantworten.

Die Stadtwerke Bielefeld z.B. mussten bis vor wenigen Monaten von dem Ende von Grohnde 2018 ausgehen. Ich habe in den letzten Jahren nicht einmal in einem Gremium einem Bericht entnehmen können, dass sich durch dieses Ende von Grohnde eine wirtschaftlich bedenkliche Situation für das Unternehmen ergeben würde. Das ist auch deshalb nicht zu erwarten, da mehr als 300 Stadtwerke, die selbst Strom erzeugen und nicht über Anteile an einem Atomkraftwerk verfügen, natürlich auch wirtschaftlich gesunde Unternehmen sind und Gewinne abwerfen.

Zur Frage der zukünftigen Versorgung ohne Atomstrom haben die Stadtwerke im gerade verabschiedeten Energiekonzept zwei Szenarien vorgelegt, eines ohne die Verfügbarkeit von Atomstrom ab 2018. In diesem Konzept wird deutlich, dass Versorgungssicherheit für Bielefeld und die Bielefelder Wirtschaft auch ohne Atomstrom garantiert werden kann. Wenn es jetzt durch einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien zu weitergehenden Investitionen kommen soll, die über die im bisher vorliegenden Konzept hinausgehen, dann gehe ich davon aus, dass die Stadtwerke als starkes Unternehmen auch diese Herausforderung meistern werden.

Wenn wir heute noch nicht alle Fragen klären können, so sollte sich die CDU davor hüten, durch Panikmache Angst bei den Menschen vor dem Atomausstieg zu erzeugen. Denn es gibt weder eine Stromlücke, noch kann man von einer deutlichen Steigerung des Strompreises ausgehen. Auch wenn sich aus dem Atomausstieg finanzielle Nachteile für die Stadt Bielefeld ergeben – was durchaus wahrscheinlich ist – so können und dürfen diese Nachteile nicht als Argument dafür herhalten, nicht aus der Atomenergie auszusteigen und die Menschen weiter den Gefahren der Atomenergie auszusetzen..

Die Frage der Auswirkungen des Atomausstiegs auf den Strompreis kann frühestens nach Verabschiedung eines neuen Atomausstiegsgesetzes beantwortet werden. Eine starke Preissteigerung für Energiebedarf kann durch Steigerung der Energieeffizienz vermieden werden.

Im zweiten Teil des Antrags machen wir deutlich, dass wir ein weiteres Energiekonzept für Bielefeld erarbeiten wollen. Dies soll mit breiter Bürgerbeteiligung geschehen, da wir das Interesse und auch die Kompetenz der Bürgerschaft einbeziehen wollen. Über ein gemeinsames und transparent erarbeitetes Konzept soll dann in einem Ratsbürgerentscheid abgestimmt werden.

Meine Damen und Herren, der sich abzeichnende verstärkte Ausbau der erneuerbaren Energien wird auch viele Wachstumsimpulse für einheimische Unternehmen setzen. Damit kann ein Jobmotor in Gang gesetzt werden, der für vielen Menschen neue Arbeitsplätze bereitstellt. Deshalb sollten wir den heute von der Ampel vorgelegten Beschluss auch mit großer Zuversicht fassen.