Rede zum Haushalt 2023

Romy Mamerow

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien,

die Zeit, in der wir leben, ist von einer zunehmenden Zahl von Einzelkrisen geprägt, die sich einander bedingen und überlagern.

Vor einem Jahr galt es mit dem Haushalt 2022 die Auswirkungen der CoronaPandemie zu bewältigen und wir alle hatten die Hoffnung, dass wir die damit verbundenen Einschränkungen und Folgen hinter uns lassen können. Durch die erfolgreiche Haushaltskonsolidierung hatten wir die Möglichkeit, endlich wieder in die Zukunft investieren zu können. Wir haben unser ehrgeiziges Investitionsprogramm für mehr und bessere Schulen, Kitas, die Feuerwehr und Kultur (900 Mio. Euro bis 2030) auf den Weg gebracht und hatten die seinerzeit noch berechtigte Hoffnung, im Rahmen der Entschuldungsstrategie, die Liquiditätskredite bis 2028 komplett abbauen zu können.

Doch dann kam der 24. Februar 2022. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine, mit seinen humanitären und wirtschaftlichen Folgen, die uns täglich direkt oder indirekt beschäftigen. Neben dem unendlichen Leid der Menschen in der Ukraine sind das explodierende Energiekosten, Rohstoffmangel, steigende Zinsen und die hohe Inflation – die Lebenshaltungskosten sind im Oktober im Vergleich zum Vorjahr um gut 20 % gestiegen. Dazu kommen die für unsere laufenden Investitionen und das gerade auf den Weg gebrachte Bauprogramm bedenkliche Kostenentwicklung im Bausektor und der Fachkräftemangel. Dieser führt zu teilweise erheblichen Verzögerungen, Unterbesetzungen in sozialen Einrichtungen und Überstunden in vielen Verwaltungsbereichen.

Und so sah im August der Sisyphos-Brocken der Kämmerei, den es galt, den Berg hinauf zu schieben, deutlich größer aus als heute. Sah der Haushaltsplanentwurf da noch einen Fehlbetrag von rd. 94,1 Mio. EUR vor, geht unser Kämmerer nun davon aus, dass wir das Haushaltsjahr 2022 mit einem Jahresüberschuss von 40 Mio. EUR abschließen. Das verdanken wir den prognostizierten höheren Steuererträgen und Schlüsselzuweisungen, aber auch der Isolation coronabedingter und durch den Krieg gegen die Ukraine bedingter Belastungen. Diese sog. „Bilanzierungshilfe“ hilft den Kommunen zwar zunächst bei dem Erhalt der finanziellen Handlungsfähigkeit, sie verschiebt jedoch die Belastungen lediglich in die Zukunft und belastet den kommunalen Haushalt zeitlich versetzt und auf Raten. Ein Vorgehen, das jeglicher Generationengerechtigkeit widerspricht.

In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Überlegungen des Kämmerers, die aufgelaufene Summe ab dem Jahr 2026 innerhalb von 30 Jahren zurückzuzahlen und nicht, wie es auch möglich wäre, den Rückzahlungszeitraum auf 50 Jahre zu strecken.

Mit dem Jahresüberschuss erhöht sich die Ausgleichsrücklage zum 31. Dezember 2022 auf 376,6 Mio. EUR. Damit gehört Bielefeld zu den Kommunen, die aufgrund der erfolgreichen Haushaltskonsolidierung der letzten Jahre, nach wie vor deutlich besser aufgestellt sind als viele andere in NRW.

Den Haushalt, den wir heute verabschieden, entspricht den Vorgaben unseres Eckdatenbeschlusses vom Juni dieses Jahres.

Er beinhaltet keine Steuererhöhungen, hat nicht das Risiko eines HSKs in der mittelfristigen Finanzplanung und die Ansätze sind an die Entwicklungen angepasst worden. Letzteres betrifft insbesondere das Personalkostenbudget, das vom Kämmerer zu den Schlussberatungen ein weiteres Mal um insgesamt 15 Mio. Euro gesenkt wurde. Damit wurde auf die Erkenntnisse des Vorjahres und den erwartbaren Ergebnissen des aktuellen Jahres reagiert.

Das wichtigste Ziel ist, dass wir weiterhin Haushalte ohne Eingriffe durch die Kommunalaufsicht beschließen und umsetzen können. Unsere Investitionsfähigkeit bleibt erhalten, was gerade für unser ambitioniertes Bauprogramm von zentraler Bedeutung ist.

Trotz der Haushaltsdisziplin, die wir uns in den Koalitionsfraktionen auferlegt hatten, konnten wir in wichtigen Bereichen zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen:

– Etwa im sozialen Bereich, wo wir die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen für weitere drei Jahre verlängert haben und durch zusätzliche Finanzmittel neue, notwendige Angebote absichern können. Das betrifft insbesondere Angebote, die sich während der Corona-Pandemie bewährt haben;

– oder im Bereich Umwelt: hier stellen wir erhöhte Mittel und Personal für Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Erstellung eines Hitzeaktionsplans und zur Umsetzung der Baumschutzsatzung zur Verfügung.

– Auch im Schul- und Bildungsbereich erweitern wir das bestehende Budget und stellen zusätzliche Gelder für neue Vorhaben zur Verfügung. Besonders freut uns, dass es uns gelingt, das AWO-Berufskolleg mit finanzieller städtischer Unterstützung weiterzuführen!

– im Kulturbereich stellen wir Mittel für weitere Leistungsverträge mit Kultureinrichtungen in freier Trägerschaft, für mehr Kultur in den Stadtteilen und zwei zusätzliche Stellen für die Kunsthalle bereit.

Im Bereich der Mobilität beschließen wir gleich einen Eckdatenbeschluss, der als erster Schritt zu einer notwendigen Absicherung der Finanzierung zu verstehen ist. Er muss jedoch noch konkretisiert und mit Zahlen hinterlegt werden. Ich möchte aber hier schon deutlich machen, dass wir den Weg, der hier aufgezeigt wird, für notwendig und richtig halten. Ohne eine Verkehrswende ist effektiver Klimaschutz nicht möglich. Wir werden ihn daher weiterhin konstruktiv begleiten!

Auf Sicht gesehen, scheint 2022 das letzte Jahr mit einem positiven Haushaltsergebnis zu sein. Zu groß sind die Auswirkungen der aktuellen Multikrisen. Und so blicken wir gemeinsam mit Herrn Kaschel mit Sorge in die Zukunft, denn für die Jahre 2023 bis 2026 werden deutliche Fehlbeträge prognostiziert. Betrachtet man die Projektion bis 2034, wird die Ausgleichsrücklage ausreichen, um die Fehlbeträge bis 2029 vollständig aufzufangen. Der allgemeinen Rücklage, die derzeit 457 Mio. Euro beträgt, muss somit erstmals im Jahr 2030 ein Betrag in Höhe von 39,7 Mio. EUR – entnommen werden.

Obwohl sich das Bild des Kämmerers mit dem zurückrollenden Stein, der uns alle zu erdrücken droht, nicht bewahrheitet, sind wir weiterhin gefordert, die Entwicklung unserer kommunalen Finanzlage im Auge zu behalten.

Denn viele der Maßnahmen, von denen wir zurzeit profitieren, sind zeitlich begrenzt (etwa die Bundes- und Landeshilfen zur aktuellen Krisenbewältigung) oder sie verschieben ein Finanzproblem in die Zukunft (die Isolierung der krisenbedingten Kosten). Auch die Kalkulationen auf der Basis von Steuerschätzungen oder Orientierungsdaten können sich als volatil darstellen, wissen wir doch nicht genau, ob den prognostizierten Mehreinnahmen nicht entsprechende inflations- und zinsbedingte Mehrausgaben gegenüberstehen werden. Damit gibt es auf der Ausgabeseite ebenfalls Risiken, die nicht abschließend bewertet werden können.

Meine Damen und Herren,

trotz der geschilderten Lage können wir mit vorsichtigem Optimismus den Haushalt beschließen. Denn ich habe die Hoffnung, dass wir bei der Bewältigung der genannten – nicht selbst verschuldeten – Auswirkungen der Krisen von Bund und Land nicht alleine gelassen werden. Das zeigt auch die Entscheidung des Landes gestern, einen zweiten Nachtragshaushalt zu verabschieden, in dem ausdrücklich auch die zusätzliche notwendige Unterstützung der Kommunen Erwähnung findet.

Lassen Sie mich noch einige Worte zum Thema „Personal“ sagen. Trotz 36 Stelleneinsparungen beschließen wir mit diesem Haushalt 249 Stellen in der Kernverwaltung. Das ist Fakt und auch notwendig, wenn man einen Blick darauf wirft, wofür diese Stellen benötigt werden:

Fast 70 werden bei der Feuerwehr und dem Rettungsdienst zusätzlich zur Verfügung gestellt, fast genauso viele im Sozialdezernat (alleine 16 zusätzliche Stellen für die Umsetzung der Wohngeldreform), darüber hinaus im Ordnungsbereich und im Umweltdezernat. Viele der Stellen sind vollständig oder zu großen Teilen refinanziert, viele werden zeitlich befristet mit kw-Vermerk eingerichtet. In den Schlussberatungen haben wir alle diese Stellen aufgerufen, sehr viele fanden eine breite Mehrheit, was wir begrüßen.
Wir werden diese Stellen heute beschließen, denn die damit verbundenen Aufgaben sind nicht „nice-to-have“, sondern sie sind notwendig für das Funktionieren unserer Stadt und der verschiedenen Infrastruktureinrichtungen!

Neben den vom Kämmerer bei der Haushaltseinbringung genannten Krisen möchte ich abschließend den Blick auf die für mich größte Krise lenken, die drohende Klimakatastrophe und der Verlust der biologischen Vielfalt. Sie stellen eine Bedrohung für die Menschheit dar und werden auch in Bielefeld immer spürbarer werden. Hier muss ein Schwerpunkt des kommunalen Handelns liegen! Aber auch hier bin ich zuversichtlich, dass uns das gemeinsam gelingen kann: Der Ausstieg aus den fossilen Energien ist zwingend notwendig und muss unumkehrbar sein. Die Beschlüsse zum Ausbau der regenerativen Energie- und Wärmeversorgung, die wir gemeinsam im Kontext der Energiekrise gefasst haben oder das Sanierungsprogramm des ISB mit dem Ziel den CO2-Ausstoß städtischer Gebäude bis 2030 ganz erheblich zu senken, sind wichtige Schritte für mehr Klimaschutz in Bielefeld!

Mein besonderer Dank gilt Herrn Kaschel und seinem Team, das die Einbringung des Haushalts auch unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen gewissenhaft und zuverlässig sichergestellt hat. Persönlich mich ich bei der Kämmereileiterin Frau Wemhöner bedanken, die meine Fragen so geduldig beantwortet hat.

Es gilt das gesprochene Wort.

Romy Mamerow,

Sprecherin Finanz- und Personalausschuss BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede gehalten am 08.12.2022 im Rat der Stadt Bielefeld