Verbrechen vor der Haustür — Radtour auf Spuren sowjetischer Kriegsgefangener

„Es ist deutlich geworden, wie wichtig die geplante Stalag-Gedenkstätte von überregionaler und internationaler Bedeutung ist als Ort der Versöhnung, als Ort der Erinnerung, ein Ort der Bildung und auch als Ort der Verantwortung unserer Generation“, sagte Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der GRÜNEN Bundestagsfraktion und Bielefelder Bundestagskandidatin auf dem Ehrenfriedhof für sowjetische Kriegsgefangene in Schloß Holte-Stukenbrock.

Sie war bei der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung NRW, die vor Ort von Uli Burmeister vorbereitet worden war, mit gut 30 GRÜNEN und Interessierten zumeist aus Bielefeld und den Kreisen Paderborn und Gütersloh am Bahnhof Hövelhof gestartet. Dort trafen vor 80 Jahren die ersten Transporte mit Kriegsgefangenen ein. Zu Tausenden wurden sie vom Bahnhof in das Stammlager (Stalag) 326 nach Schloß Holte-Stukenbrock getrieben – sichtbar für alle. Diesen Weg, der heute noch „Russenpatt“ heißt, fuhren auch die GRÜNEN. Erst nach Kilometern informiert ein Schild des Eggegebirgsvereins über die Geschichte dieses Weges.

300.000 Soldaten waren zwischen 1941 und 45 in diesem größten Lager für sowjetische Kriegsgefangene im Deutschen Reich. Von dort aus wurden sie verteilt – auf Zechen im Ruhrgebiet, auf Rüstungsbetriebe und auf Bauernhöfe in der Region. Die Lebensbedingungen im Lager waren menschenunwürdig – zwischen 15.000 und 65.000 Kriegsgefangene starben hier an Hunger, Krankheiten und unmenschlicher Behandlung. Denn die Wehrmacht führte den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion nicht nur an der Front, sondern auch in den Lagern in Deutschland. Über drei Millionen, zwei Drittel der sowjetischen Kriegsgefangenen, wurden Opfer dieser nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Sie sind die zweitgrößte Opfergruppe des Nationalsozialismus – und wurden lange verschwiegen.

„Das Thema war in der Öffentlichkeit Tabu“, berichtet Elisabeth Bültmann vom Förderverein Dokumentationsstätte Stalag 326, die die GRÜNEN über den sowjetischen Ehrenfriedhof führte, wo in 36 116 Meter langen Massengräbern die Toten begraben liegen. Die ehemalige Geschichtslehrerin ist ganz in der Nähe aufgewachsen. „Es wurde nicht gesprochen über die Verbrechen, die vor unserer Haustür begangen wurden“, sagte sie und dankte allen, die sich in zivilgesellschaftlichen Gruppen wie dem Förderverein Dokumentationsstätte Stalag 326 oder dem Verein „Blumen für Stukenbrock“ engagierten und die Erinnerung an die Gefangenen und ihr Leiden wachhielten. Sie sollen später in die Arbeit der Erinnerungsstätte einbezogen werden.

Britta Haßelmann: „Ich danke allen, die in den letzten Jahren an einer würdigen Gedenkstätte gearbeitet haben. So weit wie jetzt waren wir noch nie. Alle, die wir heute dabei waren, sind jetzt Multiplikator*innen“.  

Ein gemeinsames Positionspapier der regionalen GRÜNEN zur geplanten Gedenkstätte Stalag326 findet sich hier: